Im Gespräch mit Sieglinde Schwarzer

MK: Ihr Buch liest sich sehr flüssig, fast leicht. War Ihr bisheriges Leben „flüssig“?

SiS: Flüssig – ja, aber nie gleichförmig. Das Leben schlug manchmal so hohe Wellen, dass ich fast ertrunken wäre. Aber ich habe hartnäckig gestrampelt – wie der optimistische Frosch in einer meiner kleinen Geschichten; fröhlich und frei nach dem bekannten Spruch: „Humor ist der Schwimmgürtel auf dem Strome des Lebens.“

MK: Hat Ihnen das Schreiben beim Schwimmen geholfen?

SiS: Ja, ich wollte damit anderen mitteilen: in schwierigen Situationen nicht aufgeben, sondern durchhalten und so gestärkt neue Ziele ansteuern.

MK: Sie waren Gerichtsreporterin. Warum?

SiS: Weil ich mit Eintritt in den „Unruhestand“ als „zeithabende“ Rentnerin stundenlang im Zuhörersaal des Amtsgerichtes Jena an Verhandlungen teilnehmen und darüber berichten konnte. Der Lokalredakteur der OTZ machte mir diesen Vorschlag, als ich ihm meine Story über den Raub des Hanfriedschwertes zum Veröffentlichen anbot.

MK: Welche Ihrer Erinnerungen würden Sie als besonders schön und erinnerungswürdig betrachten?

SiS: Da gibt es eine anrührende Geschichte über den erstaunlichen Werdegang meines Sohnes Thomas, der im Kleinkindalter eine Gehirnentzündung erlitt und viele Jahre in einer Pflege- und Heilstätte verbrachte. Von dort riss er Ende der 1980er Jahre aus und wurde von der Transportpolizei Magdeburg im Interzonenzug festgenommen. Als ich ihn da abholte, bat er mich: „Versuch es doch mal mit mir, Mutti!“ (Was danach so alles geschah, ist in meinen Memoiren nachzulesen.)

MK: Was empfanden Sie als besonders grauenvoll in Ihrem Leben? Sie merken, ich lote Tiefen aus…

SiS: Ungern erinnere ich mich an meine Erlebnisse mit der Stasi, die mich nach einem heimlichen Besuch bei meiner Mutter im Westen festnahm, verhörte und eine Nacht in eine Zelle sperrte, um mich am nächsten Tag auf der Kreislehrerkonferenz „vorzuführen“. Ich wurde aus dem Schuldienst fristlos entlassen und zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt.

MK: Was würden Sie jungen Menschen für einen Rat auf dem Weg des Lebens mitgeben?

SiS: Mein Enkel hatte mir vor Jahren eine ähnliche Frage gestellt. Ich antwortete ihm: Ein Philosoph sagte einmal: „Der Sinn des Lebens besteht in der Freude am Leben.“ Um dieses zu erlangen, sollte man sich Ziele setzen, die erreichbar sind. Durch die Erledigung zunächst kleinerer Aufgaben wird das Selbstbewusstsein gestärkt und eine positive Stimmung erzeugt, um größere Vorhaben anzugehen, deren gelungene Erfüllung dann Freude bereitet.

MK: Ich danke Ihnen recht herzlich für das Gespräch!

Neuerscheinung im 1. Quartal 2024

Liebe Freunde unserer Bücher. Vorab präsentiere ich Euch das Buchcover unserer lebensfrohen Autorin Sieglinde Schwarzer! Es hat nichts mit wahren Kriminalfällen zu tun, aber die spannenden Memoiren von Frau Schwarzer lesen sich besser als mancher Krimi… Das Buch erscheint in ca. 4-6 Wochen.

Wolfgang Krüger: Kurze Geschichte der Guillotine

Als Guillotine wird die Köpfmaschine bezeichnet, die in seiner späteren Form im Zuge der Französischen Revolution entwickelt wurde, eine gewisse makabre Berühmtheit erlangte und später in einigen deutschen Staaten als Fallschwert- oder Fallbeilmaschine bekannt wurde. Allerdings war sie nur eine Weiterentwicklung früherer Enthauptungsapparate, die bereits seit dem Mittelalter eine Zeitlang in einigen anderen europäischen Ländern existierten.

Seit der Antike wurden zur Enthauptung verurteilte Delinquenten mit einer handgeführten Waffe bzw. einem handgeführten Werkzeug zu Tode gebracht, sei es mit einem Schwert, einem Beil, einem Messer oder einem Krummdolch (letztere noch im 19. Jahrhundert im Osmanischen Reich, und dort besonders in den nordafrikanischen Provinzen). Noch heutzutage sterben zum Tode Verurteilte im Königreich Saudi-Arabien den öffentlichen Tod durch das Schwert. Doch schon im Mittelalter machte man sich in Europa Gedanken, wie eine mechanische Enthauptung bewerkstelligt werden könne, und entwickelte dementsprechend Köpfgeräte.

Kupferstiche aus: Das gestochene Grauen – KIRCHSCHLAGERS KRIMINAL-KABINETT

In Italien soll im Mittelalter ein als „Mannaia“ genanntes mechanisches Köpfgerät benutzt worden sein. In Schottland dagegen, wo Todesurteile überwiegend am Galgen vollstreckt wurden, kam im 16. und 17. Jahrhundert ein als „Scottish Maiden“ (also „Schottische Jungfrau“) in die Geschichte eingegangenes Instrument zum Einsatz, allerdings nur gegen prominente adelige Verurteilte. Diese Maschine war aus Eichenholz gefertigt und bestand aus drei Armen, wobei ein Auslegerarm die zwei senkrecht stehenden Balken stützte. Das Gerät hatte eine Höhe von etwa drei Metern. Die Klinge bestand aus Eisen mit einem Stahlmantel und war zirka dreiunddreißig Zentimeter lang und sechsundzwanzig Zentimeter hoch. Am oberen Ende der Klinge wurden Gewichte von etwa vierunddreißig Kilogramm befestigt, die die waagerechte Klinge in den ins Holz geschnittenen, mit Kupfer ausgekleideten Führungsschienen nach unten durch den Hals drückten. Das Messer schlug in der unteren Endlage auf einen mit Blei ausgegossenen Holzblock.

Eine sehr ähnliche Konstruktion war auch der „Halifax Gibbet“, also der „Galgen von Halifax“, der seit dem Mittelalter Verurteilte in der Stadt Halifax, in der nordenglischen Grafschaft Yorkshire gelegen, durch Enthauptung ins Jenseits beförderte, während in allen anderen englischen Grafschaften der Galgen vorgeschrieben war, mit Ausnahme von adeligen Verurteilten, die den Tod durch das Handbeil starben.

Auch in Deutschland, besser gesagt im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation mit seinen rund dreihundert Staaten, wo das Schwert als klassisches Enthauptungswerkzeug galt, soll es ein ähnliches Enthauptungswerkzeug gegeben haben, die „Diele“. Sie soll aus zwei Ständern bestanden haben, die mit einer Leiste verbunden waren. Auf dieser Leiste mußte die verurteilte Person den Kopf auflegen. Zwischen den Ständern lief in Schienen eine andere mit Blei beschwerte Leiste hinab, an der das Eisen angebracht war. Diese Leiste wurde dem Delinquenten auf den Nacken gelegt und mit schweren Hammerschlägen durch den Hals getrieben. Der Autor dieses Beitrages bezweifelt sehr, ob diese deutsche Methode regelmäßig zur Anwendung kam. In den deutschen Territorien wurde zu Enthauptungen so gut wie in allen Fällen das Schwert benutzt. Die gleichfalls gern kolportierte Version der Hinrichtung mit einem Handbeil gehört jedenfalls in den Bereich der Sagen.

Ihre heute bekannte, anfangs etwas klobige, im Laufe des 19. Jahrhunderts elegantere Form erhielt die mechanische Köpfmaschine während der Französischen Revolution. Die seit dem Mittelalter im französischen Königreich praktizierten unterschiedlichen Hinrichtungsmethoden wie der Galgen, die eiserne Keule zum Zerschlagen der Knochen, der Scheiterhaufen und die Enthauptung mit dem Schwert (nur bei Adeligen angewandt) sollten zu einem einzigen Instrument zusammengeführt werden, so wie es der Arzt, Freimaurer und Politiker Joseph-Ignace Guillotin forderte. Ihm war an einer humanen Hinrichtungsmethode gelegen, die den Tod sehr rasch herbeiführte. Als Vorbild diente das Fallbeil von Halifax. Der königliche Leibarzt Louis und König Ludwig XVI. selbst (er sollte im folgenden Jahr das prominenteste Opfer der neuen Köpfmaschine werden) befürworteten die eingereichten Entwürfe. Der aus Straßburg stammende Klavierbauer Tobias Schmidt entwickelte einen Prototyp, der bei Guillotin und dem Pariser Scharfrichter Sanson auf großes Interesse stieß.

Am 20. März 1792 wurde ein Gesetz erlassen, das zukünftige Hinrichtungen mit dieser mechanischen Köpfmaschine vorschrieb. Schmidt erhielt nun den Auftrag, ein derartiges Fallbeilgerät zu bauen. Es bestand aus zwei oben mit einem Querholz verbundenen hölzernen Säulen, die mit eisernen Schienen versehen waren. Die verurteilte Person wurde auf ein waagerechtes Brett gebunden, der Kopf in einem hölzernen Kragen, der sogenannten „Lunette“, fixiert. Ein mit einer Kurbel ausgelöstes Seil dirigierte ein schräges Messer in den Schienen hinab auf den Hals der verurteilten Person und trennte rasch und sicher den Kopf ab.

Der Straßenräuber Nicolas-Jacques Pelletier weihte am 25. April 1792 in Paris mit seinem Kopf die zum Verdruß des Arztes Guillotin später „Guillotine“ genannte Maschine ein. Sie sollte schon bald zum Schreckenssymbol der Revolution werden: Tausende von „Revolutionsfeinden“, meist Adlige, und anderen politischen Gegnern verloren vor einer riesigen gaffenden Menschenmenge unter ihr den Kopf. Auch in anderen Departements der neuen Republik wurde die Guillotine eingeführt und tötete zahlreiche Regimegegner.

Die Guillotine, Ansichtskarte aus der Zeit um 1900, Sammlung Verlag Kirchschlager, Arnstadt

Die Guillotine entwickelte sich rasch zum festen Bestandteil der französischen Strafjustiz, und von ihr wurde im 19. Jahrhundert reichlich Gebrauch gemacht. Bis zum Jahr 1939 fanden die Hinrichtungen in Frankreich in aller Öffentlichkeit statt. Der letzte, der vor einer gaffenden Menschenmenge seinen Kopf in die „Lunette“ legte, war am 17. Juni 1939 vor dem Gefängnis in Versailles der aus Deutschland stammende Serienmörder Eugen Weidmann.1

Im Zuge der Kriegszüge der Franzosen, die sie in den 1790er Jahren bis an den Rhein führten, wurde sie schon bald auch in den besetzten linksrheinischen Territorien Deutschlands, 1810 in den in das französische Kaiserreich eingegliederten Gebieten Nordwestdeutschlands und in den Niederlanden, aber auch im von den Franzosen besetzten päpstlichen Kirchenstaat eingeführt. Im 1830 gegründeten Königreich Belgien wurde die Guillotine ab 1835 ebenfalls für die Hinrichtung von zum Tode Verurteilten verwendet. Zwei Kantone der Schweiz, Genf und Zürich, übernahmen gleichfalls diesen Enthauptungsapparat. Als einige Kantone in den 1880ern die 1874 in der Eidgenossenschaft abgeschaffte Todesstrafe wiedereinführten, wurde die Guillotine zur alleinigen Hinrichtungsmethode bestimmt.

Auch das neue Königreich Italien, an das 1870 der Kirchenstaat gelangte, verwendete die Guillotine in seinen Anfangsjahren. Das seit 1832 bestehende Königreich Griechenland ließ sich ebenfalls für die Guillotine begeistern, bis sie zu Beginn des 20. Jahrhunderts durch das Erschießen ersetzt wurde. Selbstverständlich fand die Guillotine auch in den französischen Überseedepartements wie auch in den französischen Straflagern und Kolonien rege Anwendung. Sogar das schwedische Königreich wendete die Guillotine einmal (1910) an.

Guillotine auf einer Ansichtskarte, Sammlung Verlag Kirchschlager, Arnstadt

In den rund dreihundert Staaten des bis 1806 bestehenden Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation aber wurde nach der Französischen Revolution weiterhin mit dem Schwert enthauptet. Die unter dänischer Kontrolle stehenden Herzogtümer Schleswig und Holstein hatten in den 1770er Jahren des 18. Jahrhunderts das Handbeil eingeführt, übernahmen damit die im nordischen Königreich praktizierte Methode. Das Königreich Preußen folgte ihnen im Jahre 1811, behielt aber später in seiner von den Franzosen übernommenen Provinz Rheinland das Fallbeil bei. Das Königreich Hannover führte es 1859 ebenfalls ein, und als die Preußen Hannover annektierten und als Provinz in ihr Königreich eingliederten, behielten sie dort die mechanische Enthauptungsmaschine bei. Erst 1932 wurde die Guillotine in beiden Provinzen durch das Handbeil ersetzt. Dabei mögen auch Ressentiments gegen die unbeliebten, ja teils verhaßten Franzosen eine Rolle gespielt haben, die nach dem Ersten Weltkrieg große Teile im Westen des Deutschen Reiches besetzt hielten.

Vor der Revolution von 1848 war in den Staaten des Deutschen Bundes die Fallschwertmaschine nur in der preußischen Rheinprovinz sowie im linksrheinischen Gebiet des Großherzogtums Hessen und in der bayerischen Rheinpfalz vorgeschrieben, wo noch das französische Strafrecht galt. Groß-Hessen führte sie aber 1841 auch in das (größere) rechtsrheinische Gebiet ein, 1853 folgte das Königreich Württemberg, 1854 das Königreich Bayern und die freie Stadt Hamburg, 1856 das Großherzogtum Baden und das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach als erster thüringischer Staat. Andere Staaten wie das Königreich Hannover 1859 schlossen sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte an.

Im Dritten Reich wurde das Fallbeil Ende 1936 zum alleinigen Enthauptungsgerät im Deutschen Reich bestimmt, weil es innerhalb kurzer Zeit auch eine größere Hinrichtungszahl bewältigen konnte. Zu diesem Zweck wurden zentrale Richtstätten in Hamburg, Wolfenbüttel, Weimar, Berlin, Breslau, Königsberg, Köln, Frankfurt am Main, Stuttgart und München mit je einem Fallbeilgerät eingerichtet. Die Zahl wurde nach Kriegsausbruch erweitert. Dies kam dem Regime ab 1940, als die Hinrichtungszahlen emporschnellten, zugute. Allerdings bestand die Guillotine schon vorher in den Ländern Thüringen, Baden, Bayern und Württemberg. Als im Jahr 1938 Österreich an das Deutsche Reich angeschlossen wurde, erhielt auch die „Ostmark“ ein Fallbeilgerät. In den besetzten polnischen Gebieten wurde die Guillotine 1940 und im Protektorat Böhmen und Mähren 1943 ebenfalls eingeführt.

Nach dem Zweiten Weltkrieg bestand die Guillotine in Frankreich und seinen Überseegebieten, in der Republik Vietnam und im von den Alliierten besetzten Deutschland bis zur Gründung der Bundesrepublik 1949 wie auch in der späteren Deutschen Demokratischen Republik weiter. Die letzte Guillotinierung auf deutschem Boden wurde am 6. September 1967 in Leipzig an den beiden Sexualmördern Paul Beirau und Günter Herzfeld durchgeführt. 1968 ersetzte das neue Strafrecht der DDR diese anachronistisch anmutende Hinrichtungsart mit der „humaneren“ Methode des Genickschusses. Das allerletzte Opfer der Guillotine jedoch verlor seinen Kopf zehn Jahre später, am 10. September 1977, als in der französischen Hafenstadt Marseille der tunesische Frauenmörder Hamida Djandoubi enthauptet wurde. Seitdem gehört dieses schaurig-unheimliche, aber immer noch viele Menschen in seinen Bann ziehende Instrument der Vergangenheit an. Die Zahl der seit 1792 mit der Guillotine hingerichteten Personen geht in die Zehntausende, wovon die größte Zahl, das mag einige überraschen, auf Deutschland entfällt.

1 Siehe Wolfgang Krüger: Eugen Weidmann oder. Die geheimnisvolle Villa in Celle-Saint-Cloud, in: Historische Serienmörder, Band 2, Verlag Kirchschlager, Arnstadt 2009, S. 216-253

Ab sofort lieferbar! THÜRINGER MÖRDER AUF DEM SCHAFOTT – Vollstreckung mit Fallbeil 1860-1933 von Wolfgang Krüger

Erneut ist dem Celler Kriminalhistoriker Wolfgang Krüger ein Meisterwerk gelungen. Nach der „Kriminalchronik des Dritten Reiches“ (2 Bände, vergriffen) und den „Serienmördern des Dritten Reiches“ (vergriffen) legt Wolfgang Krüger einen neuen – natürlich wieder spannungsgeladenen – Pitaval vor. Aus dem Vorwort von Wolfgang Krüger: Die in diesem Buch geschilderten Mörder hatten zweierlei gemeinsam: Nicht nur nahmen sie ihren Opfern das Wertvollste, das sie besaßen, nämlich das Leben, sie büßten ihre teils sehr scheußlichen Verbrechen auch unter der Hand des Scharfrichters, der sie mit dem Fallbeil, also der mechanischen Enthauptungsmaschine, ins Jenseits beförderte.

Der Freistaat Thüringen in seinen heutigen Grenzen war im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert politisch ein Flickenteppich. Da Thüringen damals in etliche kleine souveräne Staaten zersplittert war, unterschied sich dementsprechend die Hinrichtungsmethode in den einzelnen Ländern. Im Regierungsbezirk Erfurt der preußischen Provinz Sachsen, die weit in den Süden Thüringens hineinreichte, in den Herzogtümern Sachsen-Altenburg, Sachsen-Meiningen, in den Fürstentümern Schwarzburg-Rudolstadt und Schwarzburg-Sondershausen wie auch im Fürstentum Reuß jüngerer und älterer Linie war in den 1850er und 1860er Jahren das von Hand geführte Beil, das Handbeil, vorgeschrieben, im Herzogtum Sachsen-Coburg und Gotha und im Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach dagegen das mechanisch bediente Beil, meist Guillotine, Fallbeil oder Fallschwert genannt. Zwei dieser Staaten, Reuß älterer Linie und Sachsen-Meiningen, entschieden sich später ebenfalls für das Fallbeil. Allen Staaten aber war gemeinsam, daß die Enthauptung die einzig gesetzlich zulässige Hinrichtungsmethode war.

Das Zeitalter des Fallbeils begann in Thüringen in den 1850er Jahren, einem Jahrzehnt, in dem sich das in der Französischen Revolution bekanntgewordene Enthauptungsgerät in den Staaten des Deutschen Bundes zunehmender Beliebtheit erfreute. Als erster thüringischer Staat führte das Großherzogtum Sachsen-Weimar-Eisenach bei der Wiedereinführung der Todesstrafe im Juli 1856 die mechanische Enthauptung ein und folgte damit den Beispielen von Württemberg, Bayern und Baden. Der erste, dessen Verbrechen mit dem Fallbeil gesühnt wurde, war der Raubmörder Bernhard Stempner am 8. Dezember 1858 in Weimar. Doch etwas mehr als ein Jahr später fiel in Eisenach das Haupt eines weiteren Mörders unter dem Fallbeil. Sein Verbrechen eröffnet diesen Band.

In den 1850er Jahren wurden in allen thüringischen Staaten die als Folge der Revolution von 1848 abgeschaffte Todesstrafe wiedereingeführt und die Vollstreckung hinter Gefängnismauern verbannt. Eine Ausnahme bildete das kleine Fürstentum Reuß älterer Linie, das noch im Jahr 1864 die letzte öffentliche Enthauptung in Deutschland überhaupt durchführte. Es waren aber thüringische Staaten, die als erste im Deutschen Bund die intramurane Hinrichtung, also die nichtöffentliche Vollstreckung hinter Gefängnismauern, einführten: das Herzogtum Sachsen-Altenburg im Jahre 1845 und das Fürstentum Schwarzburg-Sondershausen im Jahre 1847. Sie galten somit fortschrittlicher als alle anderen Staaten, die immer noch am Gedanken der öffentlichen Abschreckung festhielten.

Eine Zusammenstellung aller im heutigen Thüringen seit der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zum Ende des Dritten Reiches vollzogenen Hinrichtungen ergibt eine überwältigende Mehrheit von Fallbeilhinrichtungen, vor allem deshalb, weil seit 1933 bereits alle Vollstreckungen im damaligen Land Thüringen zentral im Landgerichtsgefängnis in Weimar erfolgten, das 1937 überdies zu einer der zentralen Richtstätten des Deutschen Reiches bestimmt wurde und seitdem, vor allem seit Kriegsbeginn, Schauplatz einer zunehmenden Zahl von Enthauptungen war. Zweihundert waren es bis März 1945. Beschränkt man sich jedoch auf die Jahre 1850 bis 1936, so ergeben Hinrichtungen mit dem Fallbeil immer noch eine Mehrheit von drei: einundvierzig gegenüber achtunddreißig mit dem Handbeil vollzogene Enthauptungen.

Sehr ausführlich werden der vierfache Mühlenmord von Vogelsberg und seine Aufklärung im Jahre 1877 beschrieben, der sich im heutigen Landkreis Sömmerda ereignete. Er ist insofern merkwürdig, als zwei der Opfer erst viele Wochen später gefunden wurden. Im selben heutigen Landkreis ereignete sich mehrere Monate später ein weiterer scheußlicher Mord, der des Landwirts Johann Friedrich Voigtritter an seinem jungen Mündel. Auch er wird ausführlich behandelt. Beide Täter wurden im ein und demselben Jahr abgeurteilt und hingerichtet. Aber auch zwei weitere in Raubabsicht verübte Massenmorde werden detailliert geschildert, die wiederum in einer thüringischen Mühle verübte dreifache Bluttat eines Erfurters in Dietharz im Thüringer Wald 1885 und der dreifache Mord an einem Landwirt in Oldisleben 1899.

Viele Mordgattungen sind vertreten: Raubmord, Rachemord, Sexualmord, Mord an der lästig gewordenen Geliebten, Gewinnmord, Giftmord. Es überwiegen aber die Verbrechen, die aus Habgier begangen wurden. In einem Fall ermordete ein Gutsarbeiter seinen Kollegen und beraubte ihn, weil er Geld für die Abbezahlung seiner ihm aufgezwungenen SA-Uniform brauchte. Auch zwei betagte Rentner wurden ihres Geldes wegen ermordet. Der eine war vierundsiebzig Jahre alt und wurde in Apolda erschlagen, der andere, bereits neundsiebzigjährig, im Fürstentum Reuß älterer Linie.

Nur von männlichen Tätern verübte Morde wurden aufgenommen, für die weiblichen sehe man den im Verlag Kirchschlager 2008 und in einer Neuauflage 2019 erschienenen Band „Thüringer Mörderinnen“.

Alle Mordfälle, sie stammen in der Mehrheit aus der Kaiserzeit, wie auch ihre gerichtliche Sühne wurden anhand zeitgenössischer Zeitungsberichte nacherzählt, und zwar in einer Weise, die heutige Leser besser verstehen als die oft sehr altertümlichen redaktionellen Formulierungen der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Einige werden sich wundern, weshalb keine Mordfälle aus dem Herzen Thüringens, dem preußischen Regierungsbezirk Erfurt, wie auch aus dem damaligen Fürstentum Reuß jüngerer Linie und einigen anderen Gebieten aufgenommen wurden. Nun, hier wurde zum Teil bis 1936 mit dem Handbeil hingerichtet, was vor allem für den preußischen Regierungsbezirk Erfurt zutraf. Für diese Verbrechen ist ein gesonderter Band mit dem Titel Thüringer Mörder auf dem Schafott – Vollstreckung mit Handbeil vorgesehen.

Das Buch erscheint Ende April 2023.

Fünf Jahre Thüringer Mord-Pitaval von Frank Esche

Thüringer Mord-Pitaval III. (1915 – 1960) – Erschreckliche Mord- und Übeltaten aus alten Thüringer Kriminalakten von Frank Esche, erschienen 2021 im Arnstädter Verlag Kirchschlager

Nachdem 2016 der 1. Band und 2017 der 2. Band des „Thüringer Mord-Pitaval“ erschienen sind, gab der für die Herausgabe von Sachbüchern zur Kriminalistik sowie Kriminal- und Rechtsgeschichte bekannte Verlag Kirchschlager 2021 einen weiteren Band der Reihe heraus.

Bei den für den dritten Band „Thüringer Mord-Pitaval“ akribisch ausgewerteten dutzenden Akten des Landesarchivs Thüringen und einiger Stadtarchive, befaßte sich der Autor mit 20 besonders spektakulären Mordfällen vornehmlich aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen, die von Zeitgenossen nicht selten als sensationelle Ereignisse wahrgenommen, in den Gerichtssälen mit Spannung verfolgt wurden. Die Hauptverhandlungen zu den Schwerstverbrechen gerieten oft über die Grenzen Thüringens hinaus zu bedeutenden Medienereignissen, die die Gemüter der Prozeßbeobachter erregten.

Beim Lesen der Dokumente über an Grausamkeit kaum zu überbietenden Mordtaten, ging es Esche wie vielen Menschen, die damals in Scharen die öffentlichen Gerichtsverhandlungen besuchten und denen bei Schilderungen der Verbrechen, manchmal sogar direkt aus dem Mund des Mörders, ein Schauer über den Rücken lief. Meistens jedoch mußte die Wahrheit mühselig durch Beweise ermittelt werden. Das Geständnis war dabei aber immer die Königin der Beweismittel, wie in einem ZDF-Beitrag über die Kriminalgeschichte in den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts so treffend gesagt wurde.

Waren es tatsächlich die „Goldenen Zwanziger“ oder gab es eine Kehrseite der Medaille? In dieser Zeit häuften sich Kapitalverbrechen.

Im dritten Band des Thüringer Mord-Pitavals werden diese Verbrechen in einer äußerst widersprüchlichen Zeit deutscher Geschichte nicht nur beschrieben, sondern wird auch den gesellschaftlichen Ursachen, der Psyche sowie den Motiven der Täter nachgegangen und gleichwohl den bedauerlichen Opfern eine Stimme gegeben.

Viele Menschen hatten das Grauen des I. Weltkrieges erlebt, ihre Gesundheit verloren. Soldaten kamen versehrt von den Schlachtfeldern zurück, wo es für Empathie kaum Platz gab, ja Morden wurde zur Überlebensstrategie des Soldaten im Schützengraben. Die Umstände des täglichen Abschlachtens hinterließen auch bei Thüringern tiefe seelische Spuren. Sie hatten Angehörige verloren, waren traumatisiert und verinnerlichten ein gefährliches Verständnis von Gewalt. Vornehmlich durch Massenarbeitslosigkeit nahmen soziale Unterschiede exorbitant zu. Während viele vor allem in der Nachkriegszeit und in Zeiten der Weltwirtschaftskrise nur dank Suppenküchen für Arme nicht verhungerten, und täglich im ständigen Überlebenskampf standen, lebten Vermögende oft in „Saus und Braus“, ließen zum Beispiel die prüden Moralvorstellungen der „Wilhelminischen Kaiserzeit“ fallen und feierten ausschweifend. Nach Jahren der Kriegsschrecken und Entbehrungen wollten viele Menschen nun das Leben in vollen Zügen auskosten, auch jene die nun glaubten durch Verbrechen an diesem neuen glamourösen Leben teilhaben zu können. In dieser Zeit der tiefgreifenden gesellschaftlichen Umbrüche und Kontraste stieg nicht nur die Zahl der Raubmorde.

Im vorliegende dritten Band des „Thüringer Mord-Pitaval“ ist auch von Beziehungstaten, wie zum Beispiel einem perfiden Doppelmord in Rabis, dem Revierförstertotschlag auf dem Rathsfeld, einer Strangulation wegen vorgetäuschter Schwangerschaft und einem Mord zur Befriedigung der Geschlechtslust zu lesen. Auch erfährt der Leser von einem Justizirrtum, der sich zu einem Justizmord entwickelte, einem Richter der selbst zum Massenmörder wurde, einem hohen Kriminalbeamten, der eine Frau erhängte und von einer im Wahn mordenden Frau.

In der Zeit der Weimarer Republik wurden zahlreiche Mörder für ihre Verbrechen zum Tode verurteilt und danach zu lebenslänglicher Zuchthaushaft begnadigt, die den Tätern die Option offen hielt, irgendwann wieder das Licht der Freiheit zu sehen.

Deren weiteres Schicksal ist der Öffentlichkeit meist im Verborgenen geblieben. Auch gab es dazu oft keinen Hinweis in den Gerichtsakten der thüringischen Archive. Durch umfassende Recherchen in verschiedenen Institutionen Deutschlands und des Arolsen Archives, International Center on Nazi Persecution, konnten deren Todesumstände oder weiteres Schicksal, zum Beispiel im Fall des nahe der Städte Rudolstadt und Saalfeld mordenden Albert Kellner nach 100 Jahren Ungewissheit, ermitteln.

Zwei der spektakulären Mordfälle seien hier in Kurzfassung dargestellt:

Der grauenhafte Massenmord in Jena

Es war ein Massenmord, ein schreckliches Familiendrama. Sieben Pistolenschüsse sollten am 24. März 1932, zwischen 23 und 24 Uhr wie später festgestellt wurde, einen der größten Justizskandale der Weimarer Republik auslösen! Es gab wohl kaum eine deutsche Tageszeitung, die nicht über die grauenhafte Mordtat in Jena berichtete. Nur Stunden nach der Tat, in der Nacht zwei Uhr, wurde der Präsident des Oberlandesgerichts Jena, Dr. Bruno Becker, geweckt und vom Jenaer Polizeidirektor Ferdinand Finke persönlich über die Ereignisse informiert. Eile war geboten, denn die Morde, so war denen mit dem Fall betrauten Kriminal- und Justizbeamten klar, hatten das „Zeug“ für einen beispiellosen Justizskandal, da es sich bei dem Mörder um den Oberlandesgerichtsrat Dr. Kurt Meurer in Jena handelte. Nichts hatte vorher auf die Gewalttat hingewiesen. Bei den Opfern handelte es sich um die Eltern des Dr. Meurer, dessen Gattin, seine beiden Kinder sowie die Frau des Oberlandesgerichtrates Dr. Ernst Rittweger. Der Täter hatte sich durch Selbsttötung der Strafverfolgung entzogen.

Bild: Tageblatt vom 26. März 1932.

Am 7. April 1932 wurde noch ein aufschlußreicher Nachtrag in der Personalakte Dr. Meurer aktenkundig. Eine Woche vor der Tat ließ er demnach die Tatwaffe von dem Waffenhändler Heinicke reinigen und holte sie ein oder zwei Tage vor der Tat ab. Dies deutete auf keine Kurzschlußhandlung Kurt Meurers, eher auf einen geplanten Massenmord hin. In dem Bericht wird hervorgehoben, dass in der Presse darüber spekuliert wurde, Meurer sei ein guter Schütze gewesen. Jedoch aus aller nächster Nähe Menschen durch Kopfschuß zu erschießen, dazu gehöre nur Kaltblütigkeit und außerordentliche verbrecherische Energie.

Der Revierjägertotschlag auf dem Rathsfeld bei Frankenhausen

Der Angeschuldigte 53jährige Revierjäger Oskar Helke, am 4. Februar 1865 in Eckartsberga geboren, zur Zeit der Tat wohnhaft im Jagdschloss Rathsfeld bei Frankenhausen, wurde wegen vorsätzlicher Tötung angeklagt und stand am 6. Dezember 1918 vor dem Schwurgericht Weimar. Der Mann hatte sich 1890 mit der Rudolstädterin Luise Wölbling verlobt. Als er vom Schwarzburgischen Oberforstamt Rudolstadt nach Thaleben versetzt wurde, knüpfte er ein Verhältnis mit der ortsansässigen Landwirtstochter Charlotte Gothe an.

Luise, die Oskar Helke im April 1892 ehelichte, erfuhr von dem vermeintlichen Seitensprung ihres Partners und hielt ihm diese Verfehlung häufig und heftig vor, auch nachdem er 1898 zum Jagdschloß Rathsfeld versetzt worden war.

Bild: Schloß Rathsfeld am 1. September 1908 (Quelle Schloßmuseum Bad Frankenhausen).

Am frühen Sonnabendmorgen des 27. Juli wurde Luise vom herbeigerufenen Forstassessor Krause in ihrem Schlafzimmer neben einem Kleiderschrank und einer Wäschemangel liegend tot aufgefunden. Ihr Kopf lag in einer großen Blutlache, ihre Hand barg einen Revolver, aus dem zwei Patronen abgeschossen waren. Auf Grund des dringenden Anfangsverdachtes wurde Oskar Helke noch am Abend des 27. Juli, gegen 22.30 Uhr, ins Amtsgerichtsgefängnis Frankenhausen überführt. Die Frankenhäuser Zeitung meldete am 12. Dezember 1918 unter der Überschrift: Vor dem Weimarer Schwurgericht… Oskar Helke hatte angeblich eine Geliebte, weswegen ihn seine Frau anspie, er tötete sie, erhält 4 Jahre und 6 Monate Gefängnis. Vermutlich hatte die vergleichsweise milde Strafe für den Revierförster ursächlich mit dem Treueverhältnis des Beamten Helke zu seinem einstigen, wenige Tage zuvor im Zuge der Novemberrevolution abgedankten schwarzburg-rudolstädtischen Fürsten Günther Viktor zu tun. Die Revolution in dem kleinen thüringischen Staat, die ohnehin dort sehr moderat verlief, hatte noch keine Veränderungen im Personal und der parteiischen Rechtsprechung der Justiz bewirkt.

Thüringer Mord-Pitaval, Band 3, 280 Seiten, 116 Abbildungen, ISBN: 978-3-934277-9

Frank Esche

Rudolstadt

Der Pranger von Drosendorf in Niederösterreich

In den Städten Niederösterreichs stößt man vereinzelt auf interessante Rechtsdenkmale, gemeint sind in diesem Fall die „Pranger“. Bemerkenswert ist der von Drosendorf: Drosendorf ist eine mehr als sehenswerte Stadt, besonders durch ihre gewaltige mittelalterliche Stadtbefestigung (zwei Belagerungen 1278 u. 1328, letztere mit mindestens zwei Bliden) – ein Tip für Mittelalter- und Burgenfreunde! Die Pranger werden hier auch Rolandsäulen genannt, weil auf ihren Spitzen ein gewappneter Roland steht. Das Besondere am Pranger von Drosendorf ist ein Schandstein oder besser sogar eine Schandkugel (wie auch in Heidenreichstein), nur hier handelt es sich mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit um einen nachträglich gerundeten Blidenstein v. der Belagerung von Burg und Stadt 1328 durch den blinden Böhmenkönig Johann, der Drosendorf nach 6 Wochen kontinuierlicher Belagerung erobern konnte. Der Text zum Pranger verrät folgendes: Höchste Rolandsäule im deutschsprachigen Raum. Erbaut um 1500, oberer Teil vom Jahr 1616. Sittenlose Weiber und trunksüchtige Männer wurden hier angeprangert. Renoviert 1998/99.

Die Justitia von Duderstadt – eine bemerkenswerte Dame

Am Rathaus von Duderstadt ziert eine hölzerne Dame mit Brustpanzer und Richtschwert einen Pfeiler eines Treppenaufgangs. In der Beschreibung für Touristen heißt es, das es sich um Justitia handelt – eine bemerkenswerte Dame – denn sie will so gar nicht der Justitia gleichen. Warum? Justitia (als Jungfrau) wird immer mit Richtschwert, verbundenen Augen und mit ausgewogener Waage dargestellt. Die drei Attribute Augenbinde, Waage und Richtschwert sollen verdeutlichen, dass das Recht ohne Ansehen der Person (Augenbinde), nach sorgfältiger Abwägung der Sachlage (Waage) gesprochen und schließlich mit der nötigen Härte (Richtschwert) durchgesetzt wird. An der Duderstädter Justitia hängt aber die Waage eher wie etwas Nebensächliches, wie etwas Unwichtiges an ihrer Seite herab, so als ob die Waage keine große Rolle spielt. Ihr Blick ist zudem klar und offen. Kein Tuch, welches ihre Augen verbindet. Keine „blinde“ Justitia? Die Duderstädter Gerechtigkeit ist jedenfalls bemerkenswert.

Linguistik vs. gendergerechte Sprache

Seit 2020 hat die Verwendung der sogenannten gendergerechten Sprache im öffentlich-rechtlichen Rundfunk (ÖRR) in erheblichem Maße zugenommen. Ausgangspunkt dieser Sprachpraxis ist die Bewertung des generischen Maskulinums als diskriminierende Sprachform, die wir als Sprachwissenschaftler und Philologen zurückweisen. Wir fordern eine kritische Neubewertung des Sprachgebrauchs im ÖRR auf sprachwissenschaftlicher Grundlage.

Die Sprachverwendung des ÖRR ist Vorbild und Maßstab für Millionen von Zuschauern, Zuhörern und Lesern. Daraus erwächst für die Sender die Verpflichtung, sich in Texten und Formulierungen an geltenden Sprachnormen zu orientieren und mit dem Kulturgut Sprache regelkonform, verantwortungsbewusst und ideologiefrei umzugehen. Mehr als drei Viertel der Medienkonsumenten bevorzugen Umfragen zufolge den etablierten Sprachgebrauch – der ÖRR sollte den Wunsch der Mehrheit respektieren.

Genus und Sexus

Das Konzept der gendergerechten Sprache basiert auf der wissenschaftlich umstrittenen Vermengung der Kategorien Genus und Sexus. Genus ist eine innersprachliche grammatische Kategorie, Sexus eine außersprachliche, die das biologische Geschlecht einer Person bezeichnet. Wörter wie “die Person”, “der Mensch”, “das Opfer” zeigen, dass zwischen Genus und Sexus im Deutschen keine durchgängige Korrelation besteht (auch wenn eine solche bei Personenbezeichnungen teilweise zu beobachten ist). Ein Maskulinum wie “Mensch” kann daher eine Frau bezeichnen, das Femininum “Person” einen Mann. Ebenso kann ein generisches Maskulinum wie “Kunden” Menschen jeglichen Geschlechts bezeichnen. Genus und Sexus müssen also nicht gekoppelt sein.

Sprachhistorische Untersuchungen belegen, dass das generische Maskulinum keineswegs (wie Vertreter der Genderlinguistik behaupten) erst in jüngerer Zeit Verwendung fand, als Frauen verstärkt in Männerberufe vordrangen. Bereits im Althochdeutschen finden sich Belege für eine inklusive, also geschlechtsneutrale Verwendung des Maskulinums (Trutkowski/Weiß 2022). Das Deutsche verfügt also bereits seit Jahrhunderten über ein Mittel, geschlechtsneutral zu formulieren. Ein Bedarf für das Erstellen von Neuformen besteht grundsätzlich nicht.

Die deutsche Grammatik ist weder “gerecht” noch “ungerecht” – Gerechtigkeit ist eine ethische Kategorie, die zur Beschreibung grammatischer Strukturen nicht tauglich ist. Dass das generische Maskulinum Frauen (und nichtbinäre Identitäten) „ausschließe“ oder nur “mitmeine”, ist eine Behauptung, die auf einer Fehlinterpretation grammatischer Strukturen basiert (Hackstein 2021).

Als Sprachwissenschaftler und Philologen kritisieren wir ferner, dass an Stelle von sprachsystematischen und sprachlogischen Betrachtungsweisen zunehmend psycholinguistische Studien herangezogen werden, um Veränderungen des Sprachgebrauchs zu legitimieren. Diese Studien liefern keinen belastbaren Beleg dafür, dass generische Maskulina mental vorrangig „Bilder von Männern“ erzeugen. Vielmehr zeigt sich, dass die Kontextbindung, die zur Unterscheidung eines generischen von einem spezifischen Maskulinum entscheidend ist, in solchen Studien in wissenschaftlich unzulässiger Weise ausgeblendet wird. Es kann mithin aufgrund fehlerhafter Studiendesigns nicht als empirisch gesichert gelten, dass generische Maskulina (Genus) vorrangig im Sinne von “männlich” (Sexus) gelesen werden (Zifonun 2018, Payr 2022, Kurfer 2022). Die pauschalisierende Bewertung des generischen Maskulinums als grundsätzlich diskriminierende Sprachform ist auf wissenschaftlicher Basis nicht begründbar.

Auch andere zentrale Thesen der “gendergerechten Sprache” halten einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht stand, etwa die abwegige Behauptung von der angeblichen “Unsichtbarkeit” der Frau in der deutschen Sprache (Pusch: “Das Deutsche als Männersprache”) oder die These, mit einem Eingriff in sprachliche Strukturen könnten gesellschaftliche Veränderungen bewirkt werden (sprachidealistische Position).

Wir weisen auch darauf hin, dass Gendern zu einer ausgeprägten Sexualisierung der Sprache, also zu einer permanenten Betonung von Geschlechterdifferenzen führt. Daher wird das wichtige Ziel der Geschlechtergerechtigkeit konterkariert und Gendern von einigen Debattenteilnehmern auch als sexistisch bezeichnet. (Pollatschek 2020). Im Hinblick auf das angestrebte Ziel – Geschlechtergerechtigkeit – ist Gendern also dysfunktional.

ÖRR missachtet geltende Rechtschreibnormen

Der Rat für Deutsche Rechtschreibung hat im März 2021 explizit darauf hingewiesen, dass Gender-Sonderzeichen wie Genderstern, Doppelpunkt oder Unterstrich nicht dem amtlichen Regelwerk entsprechen, da diese Formen Verständlichkeit sowie Eindeutigkeit und Rechtssicherheit von Begriffen und Texten beeinträchtigen. Diese Missachtung der gültigen amtlichen Rechtschreibregeln ist nicht mit dem im Medienstaatsvertrag formulierten Bildungsauftrag der Sender vereinbar. Statt ihrer Vorbildfunktion gerecht zu werden, praktizieren und propagieren die Sender in ihrer Schriftnutzung (vor allem in den Online-Formaten) orthografische Freizügigkeit jenseits der verbindlichen Regeln. Auch die gesprochene Realisierung des Gendersterns – mit Glottisschlag – entspricht nicht der geltenden Aussprachenorm.

Ideologische Sprachpraxis widerspricht dem Neutralitätsgebot

Wir fordern die Abkehr von einem Sprachgebrauch, der stark ideologisch motiviert ist und überdies – so zeigen es alle aktuellen Umfragen – von der Mehrheit der Bevölkerung (ca. 75-80 %) eindeutig abgelehnt wird (> Umfragen). Es ist bedenklich, wenn immer mehr Journalisten in Unkenntnis der sprachwissenschaftlichen Fakten den Jargon einer lautstarken Minorität von Sprachaktivisten in der Öffentlichkeit verbreiten und sich hierbei fälschlicherweise auf “Sprachwandel” berufen.

Nicht zuletzt sorgt die vielfach mit moralisierendem Gestus verbundene Verbreitung der Gendersprache durch die Medien für erheblichen sozialen Unfrieden und das in Zeiten, in denen ohnehin zahlreiche gesellschaftliche Spaltungstendenzen zu beobachten sind. Auch diesen gefährlichen Partikularisierungs- und Polarisierungstendenzen in der Gesellschaft leistet Gendern Vorschub.

Der forcierte Gebrauch gegenderter Formen befindet sich nicht im Einklang mit dem Prinzip der politischen Unparteilichkeit, zu der alle Sender gemäß Medienstaatsvertrag verpflichtet sind. So stammt das Projekt der “gendergerechten Sprache” ursprünglich aus der feministischen Linguistik und wird heutzutage vorrangig von identitätspolitisch orientierten universitären Gruppierungen rund um die Social-Justice-Studies vorangetrieben (Ackermann 2022, S. 143). Gendersprache ist ein akademischer Soziolekt, der die Diskursvorherrschaft anstrebt. Zu dieser ideologisch begründeten Sprachform muss der ÖRR kritische Distanz wahren.

Zur Klarstellung: Das Bemühen um Geschlechtergerechtigkeit auch im Sprachgebrauch ist ebenso legitim wie begrüßenswert und kann nicht pauschal als “ideologisch” qualifiziert werden. Dennoch haben ideologische Strömungen im Feminismus und auch die Identitätspolitik ganz maßgeblich die Entwicklung der Gendersprache geprägt und dominieren die auch mit moralischen Argumenten geführten Debatten heute noch. Vorwiegend aus diesem Grund werden aktuelle Diskussionen selten auf sprachpragmatischer, kommunikationstheoretischer oder sprachwissenschaftlicher Basis geführt, wie von diesem Aufruf gefordert. Eine sachliche Diskussion über die Zweckmäßigkeit der vorgeschlagenen Sprachmodifikationen im Interesse der Geschlechtergerechtigkeit wird so verhindert.

Keine neutrale Berichterstattung über Gendern

Die Berichterstattung des ÖRR über den Themenbereich Gendersprache ist unausgewogen, vielfach tendenziös und dient im Wesentlichen der Legitimation der eigenen Genderpraxis:

  • Befürworter erhalten einen deutlich größeren Redeanteil
  • Werden “Experten” konsultiert, so stammen diese vorrangig aus dem Lager der Befürworter.
  • Moderatoren bekennen sich zum Gendern

In den Medien des ÖRR überwiegt eine positive Darstellung des Genderns. Kritiker werden nicht selten als reaktionär, unflexibel und frauenfeindlich geschildert. (> Belege)

“Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache; dass er überall dabei ist, aber nirgendwo dazugehört.”

Hanns Joachim Friedrichs

Aus dem Medienstaatsvertrag:

§ 26 (2) Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben bei der Erfüllung ihres Auftrags die Grundsätze der Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Meinungsvielfalt sowie die Ausgewogenheit ihrer Angebote zu berücksichtigen (MStV).

Das Anklamer Richtschwert im Stadtmuseum im Steinturm von Anklam

THUE RECHT MEIDE DAS BOESE DANN DARFST NIE ZU DENKEN DAS ICH MEIN SCHWERT NACH DEINEM HALSE LENKE, so der Spruch auf dem Anklamer Richtschwert (Rückseite). Datiert ist das stählerne Schwert MDCLXXXXIV = 1694. Man kann es im Stadtmuseum der Stadt Anklam neben vielen anderen hochinteressanten Exponaten besichtigen. Das Stadtmuseum befindet sich zur Zeit noch in einem der imposanten Stadtmauertore www.museum-im-steinturm.de. Weitere interessante Beiträge zur Rechtsgeschichte findet man auf http://www.kriminalia.de

Kriminalstatistiken – Statistiken ohne Aussage

Als der Bremer Innensenator Ulrich Mäurer (71, SPD) im April die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) vorstellte, präsentierte er, wie andere Innenpolitiker auch, einen Rückgang der Straftaten. Der Bremer Politiker sprach sogar von einem „positiven Trend“.

Der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) hält jedoch dagegen. Der Bremer BDK-Vorsitzende sieht das völlig anders: „Die Statistik stellt nicht die tatsächliche Kriminalitätsbelastung dar. Für Bremen könnte man sagen, dass die Zahl der angezeigten Straftaten zwar gesunken ist, der Anteil an Schwerkriminellen und Organisierter Kriminalität aber deutlich gestiegen sein dürfte.“ Problem in Bremen wie anderen Ortes (so u.a. auch in Thüringen), fehlendes Personal, fehlende Technik usw.

Aus eigener Erfahrung weiß der Verfasser dieses Beitrages, daß viele Bürgerinnen und Bürger aus Mangel an Erfolgsaussichten und einer zunehmend komplizierteren Rechtsprechung auf eine Anzeige verzichten. Die halbherzig von Seiten der Politik versprochenen Personalverstärkungen bleiben aus. Die Polizei ist überfordert. Polizeiliche Kriminalstatistiken schon lange nicht mehr objektiv. Die letzten politisch geäußerten Meinungen der Bundesinnenministerin zur inneren Bedrohung sprechen dagegen ein klares Bild: Hauptfeind ist der Rechtsextremismus, erst an zweiter Stelle folgt der Islamistische Terror (nicht die OK der Clans), dann an dritter Stelle der Linksradikalismus.